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    Der Sozialpsychologe Rolf van Dick ist Dekan am Fachbereich Psychologie und Sportwissenschaften und Direktor des Center for Leadership and Behavior in Organizations an der Goethe Universität Frankfurt. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Themen Leadership und Teamarbeit.   BSZ: Deutschland gilt als das Land mit der geringsten Arbeitnehmerorientierung. Was ist da aus Ihrer Sicht dran? Rolf van Dick: Sehr viel, das haben schon etliche Studien gezeigt. Zum Beispiel hat die GLOBE-Studie (Global LeadershipandOrganizationalBehaviourEffectiveness Research Program), die weltweit in über 60 Ländern durchgeführt wurde mit 16000 Managern aus 800 Firmen, herausgefunden, dass deutsche Führungskräfte besonders bei der Dimension Compassion zurückliegen. Compassion heißt, sich auf die Mitarbeiter einzustellen, ihnen eine Vision vorzugeben, mit ihnen vernünftig zu kommunizieren. Außerdem finden die jährlichen Gallup-Umfragen regelmäßig heraus, dass hierzulande viele Arbeitnehmer nicht besonders motiviert sind, innerlich schon gekündigt haben. Und viele von ihnen geben an, nicht genügend gelobt zu werden von ihren Vorgesetzten. Inmitten der Eurokrise geht es der deutschen Wirtschaft nach wie vor gut. So falsch kann das deutsche System dann doch eigentlich nicht sein, oder? Das System funktioniert natürlich besonders in Krisenzeiten gut, weil die Leute sich reinhängen, weil sie Angst haben, ihren Job zu verlieren. Fehlzeiten sind dann besonders niedrig, wenn die Arbeitslosenquote besonders hoch ist. Die Mitarbeiter gehen zur Arbeit, obwohl sie sich unwohl fühlen. Der deutschen Wirtschaft geht es aber so gut, dass überall von Fachkräftemangel die Rede ist. Sind die soften Faktoren nicht ein Wettbewerbsvorteil in Sachen Personalgewinnung? Die Frage ist, wie groß der Fachkräftemangel tatsächlich ist. Ob wir die Tausenden von Arbeitskräften aus Spanien tatsächlich brauchen oder ob es das Gerede über Fachkräftemangel nur deshalb gibt, damit die Firmen billigere Arbeitskräfte aus anderen Ländern einstellen können. Dabei wollen sie vielleicht nur nicht die Gehälter zahlen, die sie zahlen müssten. Die andere Frage ist natürlich, wenn qualifizierte Arbeitskräfte gebraucht werden, schauen diejenigen, die qualifiziert sind, sicherlich auf Faktoren wie Arbeitsklima, Arbeitsatmosphäre, Lob und Anerkennung vom Chef. Was sind die Kardinalfehler deutscher Führungskräfte? Den schwäbischen Spruch „nicht geschimpft ist genug gelobt“ machen sich sehr viele zu Eigen. Das ist das Hauptproblem: Es wird sehr prozess- und aufgabenorientiert und gut strukturiert geführt, deutsche Führungskräfte besitzen in der Regel eine sehr hohe Fachkompetenz – aber: gerade in den oberen Führungsebenen, wo man es häufig mit Ingenieuren, Betriebswirten oder Juristen zu tun hat, findet man viele, die im Rahmen ihres Aufstiegs nicht gelernt haben, wie man Menschen führt. Kommunizieren, Konflikte lösen, Menschen motivieren: Führungskräfte in Deutschland unterschätzen, wie wichtig das ist. Handelt es sich um ein Mentalitätsproblem? Ja, das ist sicher ein bisschen so. Ich selbst habe einige Jahre in England gearbeitet. An der Universität zum Beispiel gehen die Spitzenführungskräfte wie Dekane oder der Präsident ganz anders mit den Mitarbeitern um, hören ihnen besser zu, gehen mehr auf sie ein. Natürlich gibt es in anderen Ländern andere Kulturen, in Deutschland lernen wir früh, Kritik zu äußern, alles zu hinterfragen, das wirkt sich dann auch im Bereich der Führung aus. Das fehlende Wissen kann man lernen? Ich mache eine Führungskräfte-Interviewreihe mit Persönlichkeiten wie dem Dalai Lama, Günter Grass oder Roman Herzog. Da habe ich immer die eine Frage gestellt: Kann man gute Führung lernen? Alle haben mir geantwortet: Ja, man kann. Dafür gibt es MBA-Programme und Führungskräfteworkshops und ähnliches. Gibt es Unterschiede zwischen Frauen und Männern in Führungspositionen? Es ist empirisch nachgewiesen, dass Frauen einen kleinen Vorteil haben, wenn es um gute Kommunikation und das Einbinden der Mitarbeiter geht. Der Vorsprung ist nicht riesig, aber statistisch signifikant. Ein wichtiger Aspekt ist die Ausgewogenheit zwischen Beruf- und Privatleben, die so genannte Work-Life-Balance. Wie sensibel sind deutsche Führungskräfte diesem Thema gegenüber? Das Thema wird zunehmend wichtig, gerade bei großen Unternehmen, die im Wettbewerb um Mitarbeiter miteinander stehen. Das hängt aber auch damit zusammen, dass wir mehr und mehr auf der Arbeit und außerhalb kommunizieren, wir sind durch E-Mail, Smartphones usw. ja ständig erreichbar. Und inzwischen hat das Bewusstsein zugenommen, dass man auch abschalten können muss, dass man Auszeiten braucht. Die andere Sache ist, dass Unternehmen immer mehr auf Gleichstellung setzen – weil sie vom Gesetz her müssen oder weil sie auf junge Mütter als gut ausgebildete Arbeitskräfte angewiesen sind. Oft hört man, dass dem Wunsch nach Teilzeit oder Arbeitszeitreduktion trotz gesetzlichem Anspruch nicht stattgegeben wird. Ich glaube, Deutschland ist da noch nicht so weit wie andere Länder. Aber die großen Firmen haben das inzwischen alle auf dem Schirm und setzen zum Teil verstärkt auf Teilzeit auch bei Führungskräften. Ich kenne aber auch gute Beispiele aus dem Mittelstand, wo kleine Firmen Stellen aufteilen, um attraktiv zu werden für Frauen. Ich glaube, es gibt noch viel zu tun, aber wir holen auf. Welche Rolle spielen Bezahlung und soziale Absicherung im Vergleich dazu? Auch unsere eigenen Studien zeigen, dass mehr Geld sehr wohl mehr Arbeitszufriedenheit schafft, dass aber im Verhältnis andere Faktoren wesentlich wichtiger sind. Das heißt, wenn ich jemandem mehr zahle, kann ich ihn durchaus zufriedener machen. Es ist aber noch sinnvoller, wenn ich ihm eine vernünftige Arbeit gebe, die anregend und vielfältig ist und in der man viel Verantwortung hat. Das Klima unter den Kollegen ist ganz wichtig und das Thema Führung auch. Man kann aber natürlich nicht sagen, dass Bezahlung nicht wichtig ist. Natürlich will man eine angemessen gute Bezahlung haben, sonst ist man unzufrieden. Nur 42 Prozent der Arbeitnehmer beurteilen den Teamgeist in ihrer Firma als positiv. Gibt es ein Rezept für ein funktionierendes Team? Es gibt natürlich verschiedene Faktoren. Ein Team sollte nicht zu groß sein, sondern eher überschaubar mit höchstens 15 Mitgliedern. Teams sollten regelmäßig die Möglichkeit zu Auszeiten haben, um zu reflektieren, was läuft gut, was weniger. Führungskräfte haben da eine große Verantwortung: Sie stellen das Team zusammen, sie sorgen für Auszeiten, und – ganz wichtig – sie sind diejenigen, die bei Konflikten einschreiten.  Da sind Führungskräfte oft nicht so gut, sie lassen Konflikte erst mal schwelen. Sie sind da nicht anders als andere Menschen auch: Wir lernen viel  zu wenig, wie man mit Konflikten umgeht. Was kann denn der einzelne Mitarbeiter dazu tun, dass es ihm gutgeht bei der Arbeit? Er sollte sich überlegen, was für ihn besonders wichtig ist. Für den einen ist das mehr die Bezahlung, für die andere eine verantwortungsvolle Aufgabe, für den dritten das Ausmaß an Freizeit, für den vierten, dass er anderen helfen kann. Danach sollte man sich die Arbeit aussuchen und in den Firmen, wo man ist, die entsprechenden Abteilungen und Positionen anstreben. Man muss sich überlegen, was sind meine Ziele, wie kann ich sie erreichen. Wenn deutsche Führungskräfte ihren Führungsstil verbesserten, welches Potenzial würde das für die Volkswirtschaft bedeuten? Ich kann das schlecht beziffern, aber wenn man sich die Produktionsausfälle wegen Krankheit ansieht, wenn man sich die Milliardenausfälle durch Burnout vor Augen führt, dann ist das Potenzial enorm. Auch das Potenzial durch zusätzliche Innovationen, zusätzliche Produktivität, wo man besser in Teams zusammenarbeitet, ist nicht zu unterschätzen. Da ist noch viel zu tun. Das Gespräch führte Anke Sauter, der Text wird (in gekürzter Fassung) veröffentlicht in der Bayerischen Staatszeitung.

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